6 forum kriminalprävention 2 2016 PRÄVENTION UND FREIHEIT Individuelle und strukturelle Aspekte einer Ethik der Prävention Basis einer gelingenden Präventi onsarbeit im Sicherheitsbereich ist eine Berufsethik für all diejenigen die in ihren Professionen präventiv tätig sind Das was heute Berufs oder Pro fessionsethik heißt war früher die Ehre des Standes Damit umfasst eine Berufsethik die Normen Regeln Kriterien Werte die für die angemes sene Ausübung des Berufs nötig sind Sie setzt berufliche Kompetenzen vor aus geht jedoch notwendig über sie hinaus und bezieht sich auf Einstellun gen und Haltungen Das Vorhandensein einer solchen Berufsethik hat die Konsequenz dass wir darauf vertrauen dass etwa der Handwerker weiß was er tut Weiß er es allerdings nicht gibt es Geschich ten eines gebrochenen Vertrauens die immer wieder für eine lebhafte anekdotenreiche und zumindest in ei nem gewissen Abstand amüsante Abendunterhaltung gut sind Ge schichten des gebrochenen Vertrau ens im Kontext des Sicherheitshan delns sind dies nicht sie sind oft zu ernst Eine eindeutige Berufsethik für Prä vention im Sicherheitsbereich zu for mulieren ist schwierig weil hier eine Vielzahl von Professionen mit unter schiedlichen Perspektiven und Zugrif fen tätig ist Drei Punkte sind wichtig für alle Die relative Machtposition in der sich die Akteure und Akteurinnen der Prävention befinden ist konstant zu reflektieren und im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit für im moralischen Sinn gute Zwecke zu nutzen Diese Machtpositionen sind unterschiedlich bei der Polizistin und dem Sozialarbei ter bei den städtischen Mitarbeitern innen und den Stadtplanern innen sie sind aber vorhanden und das Be wusstsein davon muss mit morali scher Vorsicht in das Handeln integ riert werden Die eigene Arbeit ist immer mit dem Anspruch auf Gerechtigkeit zu unterlegen Dies ist eine hohe Forde rung denn immer wieder lässt sich Gerechtigkeit strukturell nicht ein fach durchsetzen Zugleich zeigen die Diskussionen um Gewalt gegen die Po lizei auf der einen und um Gewalt oder Rassismus der Polizei auf der anderen Seite dass hier Handlungsfelder im mer neu unter Gerechtigkeitsaspek ten strukturiert werden müssen Und schließlich gehört Selbstsor ge zu einer Berufsethik präventiven Sicherheitshandelns Nur durch ein gutes Maß an Selbstsorge kann ver mieden werden dass Stresssitua tionen in schädigendes Handeln ein münden für die betroffenen Professionellen und für die Men schen mit denen sie konfrontiert ist Eine individuell fokussierte Be rufsethik in stark strukturierten Kontexten aber ist nicht unabhängig zu denken von einer Institutionen ethik Institutionen sind normative Gefü ge die das soziale Leben auf Dauer stellen dem Individuum Grenzen set zen und dem Miteinander Regelmäßig keit und Sicherheit verleihen Sutor 1997 42 Sie geben verbind liche Hand lungsrahmen ersetzen aber nicht indi viduelle Moral Sie können diese per sönliche Moral unterstützen Defizite kompensieren oder auch sie er schweren oder verhindern Die Art und Weise wie eine Institution gestaltet und erneuert wird hat weitreichende Folgen für individuelles Verhalten Damit verlangt eine Institutio nenethik nach dem Aufbau gerech ter Strukturen innerhalb einer Insti tution die die ethische Urteilskraft und das moralische Verhalten stärkt und nicht erschwert oder verhin dert Dabei sind Unterschiede zwi schen Theorie und Praxis Unter schiede zwischen einer individuellen Professionsethik und einer allgemei nen Institutionenethik nicht per se schlecht Sie erlauben situationsan gepasstes Verhalten das immer wie der erforderlich ist Wenn aber diese Handlungsspielräume gegen die In tention der Institution und deren moralisches Selbstverständnis ge richtet sind wenn etwa eine Poli zeiethik gegen eine Polizisten ethik eine Polizeikultur gegen eine Polizistenkultur Behr 2008 steht werden diese Unterschiede destruktiv für die Institution für de ren Arbeit und für die Gesellschaft Außerdemokratische Strömungen können nicht bekämpft werden in dem manchmal pragmatisch demo kratische Rechte und Freiheiten au ßer Kraft gesetzt werden Ethische Institutionen sind deut lich schwieriger zu lenken als nicht ethische Institutionen weil mit der Stärkung der Urteilskraft auch Wider spruch ins Haus kommt Mittel und langfristig aber sind ethische Insti tutionen erfolgreicher als solche die sich diesen Fragen verweigern Eine Ethik der Prävention points to consider Reflexionskriterien Neben der individuellen und struk turellen Ebene einer Ethik der Prä vention sollen nun sieben konstituti ve Felder benannt werden Grundlage einer Ethik der präventiven Herstel lung von Sicherheit ist der kategori sche Imperativ der Achtung von Men schenwürde in jeder wirklich jeder Situation Darüber hinaus werden hier keine klaren Regeln oder einfa chen Normen formuliert Dafür ist je des Sicherheitshandeln zu komplex zeitlich räumlich institutionell und kulturell eingebunden Statt klarer Regeln sollen hier Reflexionskriterien genannt werden die bei Entschei dungen für Sicherheitshandlungen und Sicherheitsmaßnahmen eine Rol le spielen sollten Zukunftswissen Wie kann man etwas messen was sich nicht ereignet wenn man nicht weiß ob es sich nicht auch dann nicht ereignet hätte wenn man nichts oder etwas anderes getan hätte Feltes 1995 19 Fragen wie diese ma chen deutlich dass die Messbarkeit von Maßnahmen und die Übersetzung in statistische Werte die wiederum Maßnahmen rechtfertigen problema tisch sein kann Hier ist eine kluge Selbstreflexion präventiver Handlun gen gefordert Wünschenswerte Zukünfte Jedem Sprechen über wünschens werte Zukünfte und jedem Handeln um sie möglich zu machen unterlie gen normative Vorstellungen dessen was gut und schlecht ist Dies mag im Normalfall Alltagskonsens sein es kann aber auch implizit vereinheitli chend vereindeutigend oder intole rant sein insbesondere dann wenn partikulare Wünsche unreflektiert in gesellschaftliches Handeln überge führt werden Ein bestimmtes zukünf tig erwünschtes Verhalten kann ein nicht schädigendes oder ein gewalt freies Verhalten sein es kann aber auch ein für andere angenehmes oder weniger angenehmes normales oder weniger normales Verhalten sein Wünschenswerte Zukünfte als Leitmotive präventiven Handelns müs sen so ihre eigenen Wertvorstellun gen überprüfen Prävention darf nicht auf Normalisierung zielen

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