24 forum kriminalprävention 3 2016 KRIMINALITÄTSKARRIEREN Mitunter kann dieser Umstand dar auf zurückgeführt werden dass die Kriterien bisher unklar sind die ein Straftäter erfüllen muss um als Abbre cher Desister zu gelten Strittig ist hier auch die Frage nach dem erfor derlichen Zeitraum ohne kriminelle Auffälligkeit Laub Sampson 2001 S 10 ff Durch die Verlängerung des Beobachtungszeitraums einer Unter suchung könnte sich die Möglichkeit erneuter Registrierungen erhöhen Auch die Erfassung und Messbarkeit von Kriminalität spielen eine wesentli che Rolle Bezieht man sich auf regis trierte Kriminalität so wird ausschließ lich das Hellfeld der Kriminalität abgebildet Jehle 2003 Bei dieser Er fassung könnten Personen als Desis ter eingeschätzt werden deren Straf taten nicht erkannt wurden oder ihnen nicht zugeordnet werden konn ten Bezieht man das Dunkelfeld der Kriminalität mit ein indem man Straf täter selbst nach begangenen Taten befragt so bleibt immer noch das Pro blem des doppelten Dunkelfelds Das doppelte Dunkelfeld bezeichnet den Teil des Dunkelfelds der selbst durch die Dunkelfeldforschung nicht erfasst werden kann So besteht die Möglichkeit dass befragte Straftäter ihre Taten nicht als kriminell wahrneh men nicht erinnern oder aus anderen Gründen in einer Befragung nicht da von berichten Schneider 2007 S 308 f Diese Faktoren erschweren ebenfalls die klare Zuweisung von Personen zum Kreis der Desister Desistance Forschung Kriminologische Forschung be schäftigt sich häufig mit den Ursa chen und Bedingungen für kriminel les Verhalten Die Desistance For schung hingegen fragt nach den Ur sachen und Bedingungen für das Ablassen von kriminellem Verhalten Kerner Jansen 1996 S 137 ff Die Faktoren die dieses Ablassen einlei ten begünstigen und aufrechterhal ten sind bis heute nicht vollständig geklärt Wesentlich für den Prozess sind offenbar Veränderungen im sozi alen Kontext etwa die Aufnahme ei ner Arbeits oder Ausbildungsstelle oder die Gründung einer Familie aber auch persönliche Veränderungen wie verbesserte persönliche Fähigkeiten Einstellungsänderungen oder eine Änderung hinsichtlich der Selbst wirk sam keits er war tung Mulvey et al 2004 S 223 ff Die verschiedenen Erklärungsansät ze für den Karriereabbruch wurden von LeBel et al 2008 S 137 ff zu drei verschiedenen Modellen zusammen gefasst Unter dem strong subjective mo del werden Theorien verortet nach denen der Antrieb für den Karriere abbruch ausschließlich innerhalb des Individuums liegt Die theoretischen Ansätze im strong social model hingegen se hen soziale Auslöser als wesentlich für den Abbruchsprozess Dem subjective social model lie gen Theorien zugrunde die persön liche und soziale Faktoren kombi nieren und deren Wechselwirkung als ausschlaggebend für Desistance verstehen Die Begünstigung des Abbruchs krimineller Karrieren als Tertiär prävention Innerhalb eines Justizsystems das dem Resozialisierungsgedanken ver pflichtet ist stellt sich die Frage wie der Abbruch einer kriminellen Karriere angestoßen bzw gefördert werden kann Hofinger 2012 S 2 Hierbei muss aufgeklärt werden ob und unter wel chen Umständen Straftäter einen Nut zen aus justiziellen Maßnahmen zie hen können Darüber hinaus stellt sich die Frage ob ein Nutzen auch Auswir kungen auf weiteres Verhalten im strafrechtlichen Bereich aufweist Mulvey et al 2004 S 226 ff Mulvey et al gehen davon aus dass justizielle Maßnahmen einen indirekten Einfluss auf die kriminelle Karriere von Straftä tern entfalten könnten Die Entwick lung eines Straftäters könnte zum Po sitiven beeinflusst werden wenn sich die Maßnahme auf die individuellen Ressourcen wie etwa Human und So zialkapital auswirkt Mulvey et al 2004 S 226 ff Es darf jedoch nicht außer Acht ge lassen werden dass der Kontakt mit dem Justizsystem eine kriminelle Kar riere auch begünstigen oder aufrecht erhalten kann vgl Healy O Donnell 2008 S 29 So kann es sowohl inner halb als auch außerhalb des Systems zu Stigmatisierungen und Labeling von Straftätern kommen die sich im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung negativ auf das Selbst bild der Person auswirken könnten Klein 1986 S 62 ff Insbesondere die negativen Effekte von Gefängnisstra fen sogenannte Prisonisierungseffek te wurden immer wieder empirisch bestätigt vgl Ortmann 1993 Hosser 2008 Es wird auch diskutiert dass Ge fängnisaufenthalte dem Desistance Prozess entgegenwirken könnten da sie eine Person aus möglicherweise förderlichen Strukturen entfernt Far rall Calverley 2006 S 181 ff Darüber hinaus ist bekannt dass der Übergang von der Haft in die Freiheit das soge nannte Entlassungsloch eine be sonders sensible Phase für Straftäter darstellt In diesem Zeitraum bedürfte es offensichtlich einer besonderen Be treuung und eines gut ausgebauten Übergangsmanagementsystems Die institutionelle Lösung des Problem felds Betreuungsübergang konnte je doch bisher nur unzureichend umge setzt werden Bereswill et al 2007 Pruin 2013 Walsh 2014 Dies sind nur einige Beispiele für institutionelle Be darfslagen Es ließen sich noch zahlrei che andere anführen siehe etwa Puschke 2011 Kury Brandenstein 2002 Goerdeler 2011 Goeckenjan 2011 Fazit Es versteht sich dass auf Straftaten vonseiten des Justizsystems reagiert werden muss Weiterhin versteht sich dass justizielle Reaktionen und Sankti onen die Lebenswelt von Straftätern beeinflussen Diese Beeinflussung kann sowohl positive als auch negati ve Folgen auf weitere Straffälligkeit haben Es ist sowohl bekannt dass es innerhalb des deutschen Justizsys tems Defizite gibt als auch wie diese ausgeräumt werden könnten um zur Vermeidung weiterer Straffälligkeit und zum Abbruch krimineller Karrie ren beizutragen Daher an dieser Stel le der Appell die hierfür erforderli chen Maßnahmen zu ergreifen Dazu gehört unter anderem der Ausbau der therapeutischen und sozialpädagogi schen Angebote in Haft sowie im All gemeinen die Verbesserung der Haft bedingungen die Verbesserung und der Ausbau von ambulanten Maßnah men sowie die Vermeidung von Labe lingprozessen innerhalb des Systems Eine Zukunftsaufgabe liegt auch darin die Desistance Forschung in Deutsch land insbesondere vor dem Hinter grund der Beeinflussung krimineller Karrieren durch das Justizsystem wei ter voranzutreiben Dr Maria Walsh ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Nationalen Zentrum für Kriminalprävention NZK Kontakt maria walsh bmi bund de

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