forum kriminalprävention 3 20162 EDITORIAL Liebe Leserinnen und Leser Unter dem Eindruck der plötzli chen Häufung von Anschlägen und Amokläufen in den vergangenen Wo chen ist das Sicherheitsgefühl der Bürger weiter erodiert stellt das In stitut für Demoskopie Allensbach fest FAZ 24 8 2016 Die zugrunde liegende aktuelle repräsentative Be völkerungsbefragung zeigt ein er staunliches Bild 70 der Befragten kalkulieren heute die Möglichkeit ein Opfer ei nes Terroranschlages zu werden 42 haben sich in letzter Zeit an Orten an denen viele Menschen unterwegs sind aus Angst vor An schlägen und Gewalttaten unsi cher gefühlt 62 haben mittlerweile das Ge fühl dass Terror und Gewalt zu un serem Alltag gehören 58 glauben Wir werden nie mehr so sicher leben können wie früher 47 sind überzeugt dass die Ter rorrisiken geringer wären wenn Deutschland nicht so viele Flücht linge aufgenommen hätte Die Einschätzungen kulminieren in einem Zusammenbruch des Zu kunftsoptimismus bei 64 der Be völkerung die den kommenden zwölf Monaten nicht mehr hoff nungsvoll sondern furchtsam und skeptisch entgegensehen Es handelt sich auch im Lang zeitvergleich um ein ungewöhnli ches Stimmungsbild das erklärungs bedürftig ist Das subjektive Angst Gefühl einer permanenten Terror welle entspricht kaum den tatsäch lichen Risiken bzw der Eintritts wahrscheinlichkeit selbst Opfer eines Terroranschlages oder einer anderen schweren Gewalttat zu wer den Lebensrisiken wie gefährliche Krankheiten oder tödliche Unfälle vor allem im Straßenverkehr sind um ein Vielfaches höher bzw wahr scheinlicher rangieren in der Angst bilanz aber deutlich hinter der Ter rorangst vgl R V Versicherung Die Ängste der Deutschen 2016 Erklärungen für ein solches Risi koparadoxon liefert beispielsweise der Psychologe Barry Schwartz der beschreibt dass die massiven Fehl einschätzungen von Risiken insbe sondere mit Umfang und Art der Be richterstattung in den Medien korrelieren The Paradox of Choice Tägliche an schockierenden Bildern des Schreckens und der Angst reiche Formate in Zeitungen Fernsehkanä len sozialen Medien usw beeinflus sen die Risiko Wahrnehmung der Menschen die als Medienkonsumen ten Teil einer selbst organisierten und konstruierten subjektiven angstbesetzten Schein Wirklichkeit werden deren Verhältnismäßigkeit in Bezug auf tatsächliche Risiken zu mindest fraglich ist Die Terroristen nutzen diesen Mechanismus Er ist wesentlicher Teil ihres Kalküls große Bevölkerungsgruppen in ein Klima der Angst zu versetzen Scheinbar folgerichtig fordert derzeit etwa die Hälfte der Bevölke rung in Deutschland die staatlichen Sicherheitsanstrengungen deutlich zu verstärken etwa mehr und bes ser ausgestattete Sicherheitskräfte mit umfassenden Handlungsmög lichkeiten mehr Überwachung kon sequente Abschiebung bessere Zu sammenarbeit der Geheimdienste im In und Ausland Infolge der aktuellen Ereignisse und dieser Stimmungsbefunde hat die Bundesregierung Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit geplant und vorbereitet Neun Punkte Plan der Bundeskanzlerin 28 7 2016 Maß nahmenplan des Bundesministers des Innern 11 8 2016 Politisch vernünftig sind eine nüchterne risikoangemessene Si cherheits und Kriminalpolitik die sich nicht von Stimmungen ver lei ten lässt sowie eine besonnene und beruhigende Kommunikation in die Bevölkerung hinein Entschlossenes professionelles Handeln bei tatsäch lichen Gefahren stärkt das Vertrauen in die staatliche Sicherheitsgewähr leistung und Prävention kann dazu beitragen das Sicherheitsgefühl zu verbessern z B Strategie der Bun desregierung zur Extremismusprä vention und Demokratieförderung 13 7 2016 Nach wie vor sind die Städte und ländlichen Gemeinden die zentrale Umsetzungsebene präventiver Kon zepte Örtliche Präventionsgremien sollten die vielfältigen Akteure und Maßnahmen vernetzen bündeln und koordinieren Maria Dzierzon hat in ihrer Studie über kriminalprä ventive Gremien in Brandenburg hingegen festgestellt dass die meis ten Gremien ihren formellen Rah men abgelegt haben und der Aus tausch zwischen den Akteuren informell erfolgt Die übergeordneten Präventions gremien auf Landesebene verstehen sich häufig als Servicestelle mit Impuls Vernetzungs Beratungs Transfer Austausch und Unterstüt zungsfunktion Sie sind nicht in Auf lösung begriffen sondern werden in vielen Ländern als wichtige Knoten punkte im Präventionsnetzwerk ge stärkt Dort ist eine wesentliche Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis Wie sich diese Gremien orga nisatorisch aufgestellt und verän dert haben welche Schwerpunkte sie in ihrer Arbeit setzen und welche aktuellen Projekte sie durchführen und begleiten soll in den folgenden fk Ausgaben konkret in den Blick genommen werden Den Anfang macht der Landespräventionsrat Niedersachsen den Susanne Wolter in ihrem Beitrag vorstellt Der Deutsche Präventionstag DPT markiert jedes Jahr einen Mei lenstein beim Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch In diesem Jahr bildete Ethik die thematische Klam mer für den DPT wie Henning van den Brink berichtet In den Bundes ländern eröffnen die landesbezoge nen Präventionstage weitere Mög lichkeiten der Vernetzung wie Miriam El Bali und Sirka Geese in ih ren Berichten zu Berlin und Bran denburg darlegen Arne Feickert be richtet zudem von Fachkonferenzen des Europäischen Netzes für Krimi nalprävention EUCPN Wie die Ausschreitungen von Hooli gans während der EM in Frankreich ge zeigt haben ist Gewalt beim Fußball nach wie vor ein aktuelles Thema für die Sicherheitsbehörden Gabriel Dutt ler und Patrick Bresemann stellen Er gebnisse einer Teilstudie des SiKom Fan Projekts vor das sich mit sicherheitsrelevanten Aspekten bei Fußballspielen beschäftigt Maria Wal sh gibt einen Einblick in die Desistance Forschung die den Abbruch kriminel ler Karrieren und die dafür relevanten Einflussfaktoren und Gelingensbedin gungen untersucht Julia Christiani in formiert über städtbauliche Kriminal prävention Michail Logvinov geht schließlich am Beispiel von Studien zur Islamfeindlichkeit auf typische Fehler quellen bei der Erhebung und Auswer tung von Bevölkerungsumfragen ein und vertieft die eingangs erörterten Zusammenhänge zwischen Stimmun gen Einstellungen sowie Haltungen und ihrer Messung Liebe Leserinnen und Leser blei ben Sie bitte neugierig und enga giert wenn es um die wichtigen ge sellschaftlichen Diskurse geht und seien Sie bitte wachsam gegenüber Risiken sowie ihrer Wahrnehmung und Einschätzung Herzliche Grüße Ihr Wolfgang Kahl

Vorschau DFK forum kp 03-2016 Seite 4
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