8 forum kriminalprävention 4 2016 KULTURELLE BILDUNG IM STRAFVOLLZUG hen in einem inhaltlichen Spannungs verhältnis Etwas zugespitzt formuliert nach Deimling 1969 geht es in einem klassischen Verständnis von Resoziali sierung darum straffällig gewordene Jugendliche wieder unter soziale Kon trolle zu bringen und sozial einzuglie dern Delinquenten Jugendlichen sollen aus Gründen der Gewaltpräven tion wesentliche Werte der Mehrheits gesellschaft wie Disziplin Pünktlich keit Arbeitswilligkeit Höflichkeit etc vermittelt werden um aus diesen ge setzestreue Staatsbürger innen zu formen Demgegenüber ist der Begriff der kulturellen Bildung umfassender und offener angelegt und beinhaltet neben der sozialen Dimension der ge sellschaftlich demokratischen Teilha be die individuelle Aneignung künstle rischer Fähigkeiten und das Sammeln ästhetischer Erfahrungen Während der mit Resozialisierung angestrebte und durch die psychosozialen Folgen geschlossener Verwahrung und durch Prisonisierungseffekte ja häufig kon terkarierte Verhaltenswandel von Personen sich an institutionell eindeu tig definierten Ordnungsvorstellun gen und Wertmaßstäben orientiert werden Letztere seitens soziokultu reller Ansätze kritisch hinterfragt Fuchs 2016 Soziokulturelle Ansätze stellen die individuell eigensinnige und lebensweltliche Aneignung von Kunst durch als delinquent etikettier te Jugendliche in den Fokus und be trachten deren abweichendes Verhal ten als kreative Ressource d h als eine in Kunstwerke produktiv umwan delbare Form physischer Energie Ergebnisse einer Studie über straffällige Jugendliche in der Bildhauerwerkstatt Gallus Seit 1992 stellen straffällig gewor dene Jugendliche in der Bildhauer werkstatt Gallus einer Suborgani sation der Jugend Kultur Werkstatt Falkenheim Gallus e V JKWF Skulptu ren her Das übergeordnete Ziel der Bildhauerwerkstatt besteht darin mehrfach benachteiligte Jugendliche und junge Erwachsene mittels sozial pädagogischer und kunstpädagogi scher Aufgaben in ihrer Entwicklung zu fördern Der Verkauf der Kunstob jekte trägt zur Finanzierung des Pro jektes bei Von 2009 bis 2012 wurden im Rah men eines Dissertationsprojekts Sons im Erscheinen mit fünf Fachkräften und neun Jugendlichen qualitative Leitfadeninterviews durchgeführt An ders als in quantitativ ausgerichteten Studien der sogenannten Wirkungs und Transferforschung vgl Fink et al 2010 standen in der Untersuchung eine durch die Grounded Theory Strauss 1991 angeleitete Analyse und Interpretation der in der Bildhauer werkstatt vorfindlichen Praktiken bzw kulturellen Bildungsprozesse im Fokus Die Forschungsfrage lautete Wie wirken welche der in den Prakti ken der ausgewählten Bildhauerwerk statt vorfindlichen sozial symbo lischen kognitiv individuellen und materiell dinglichen Entitäten Pro zesse und Bedingungen situativ zu sammen sodass bei den Jugend lichen kulturelle Lern und Bildungsprozesse entfaltet werden Vorrangiges Ziel der Untersuchung war es ein Modell ding bezogener kultureller Bildungsprakti ken zu erstellen Abbildung 1 Im Zuge der Erstellung des Modells wurden Kategorien entwickelt durch die die in der Bildhauerwerkstatt vor findlichen Arbeits und Handlungswei sen erfasst und interpretiert werden konnten Diese Kategorien sind so wohl für Praxisakteure innen als auch für Entscheider innen des Feldes kul tureller Bildung und der Kriminalprä vention von Interesse Künstlerisches Arbeiten an atmosphärischen Orten Dem Ort und seiner Atmosphäre kommen für den Einstieg in bildhaueri sche Arbeitspraktiken und den damit verbundenen kulturellen Lern und Bil dungsprozessen eine wesentliche Be deutung zu Sowohl die Fachkräfte als auch die Jugendlichen stellen als Be sonderheit des Ortes seine außerschu lische Authentizität und seine atmo sphärische Fremdheit heraus Die Jugendlichen nehmen die Bildhauer werkstatt als einen unübersichtlichen befremdlichen abenteuerlichen und chaotischen Ort wahr an dem sie viel fältigen und überraschenden Sinnes eindrücken ausgesetzt sind So führt ein Jugendlicher aus Der erste Ein druck war für mich wo bin ich hier ge landet chaotisch da ist einer am Holz krabbeln und der andere macht mit dem Stein rum aber nach einer Zeit gewöhnt man sich dran und man will sogar mehr hier machen Ein anderer Jugendlicher bemerkt Das ist ja wie ein Abenteuer das man noch nicht kannte man lernt es einfach wissen Sie So viele komische Objekte und Ge räte habe ich vorher noch nie ge sehen Wie an den Zitaten ersichtlich wird machen die Jugendlichen beim Be treten der Bildhauerwerkstatt eine wichtige Fremdheitserfahrung Die Abbildung 1 Modell dingbezogener kultureller Bildungspraktiken ĂůĂƐƐĞŶĚĞƌ KďũĞŬƚĞ ŶƚĞŝŐŶƵŶŐ ŽƐůĂƐƐĞŶ ƵŶŬƚŝŽŶĞŶ ĚĞƌ KďũĞŬƚĞ ƌŝƐĞŶ hŶĨćůůĞ ĂŶĚůƵŶŐƐƐƚŽƉƉZĞĨůĞŬƚŝŽŶZĞŽƌŐĂŶŝƐĂƚŝŽŶĚĞƐ KďũĞŬƚƐ ƚŵŽƐƉŚćƌĞĚĞƐ KƌƚƐ ŝŶƐƚŝĞŐ ŝŶ ƌďĞŝƚƐƉƌĂŬƚŝŬĞŶ LJŶćƐƚŚĞƐŝĞŶ YƵĂƐŝͲKďũĞŬƚDĂƚĞƌŝĂů ŝŶƐƚĂďŝůƵŶĚ ŝŵ tĂŶĚĞů ƵůƚƵƌĞůůĞ ŝůĚƵŶŐƐͲƉƌŽnjĞƐƐĞ ƵŶĚ ĞƌŶĞŶ ƂƌƉĞƌ ĂůƐ ƌĨĂŚƌƵŶŐƐͲƵŶĚ ĞƌŶƌĂƵŵ ŶĞŝŐŶƵŶŐ ǀŽŶ tŝƐƐĞŶ DŝŵĞƚŝƐĐŚĞƐ ĞƌŶĞŶ DĂƚĞƌŝĂůĞƌĨĂŚƌƵŶŐĞŶ ďƐƚƌĂŬƚŝŽŶ 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Vorschau DFK forum kp 04-2016 Seite 10
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