10 forum kriminalprävention 4 2016 KULTURELLE BILDUNG IM STRAFVOLLZUG brechen von Steingesichtern kann das Vermögen Konzentration Körperbe herrschung der Bearbeiter innen und die damit verbundene Angemes senheit bzw Präzision des durchge führten künstlerisch handwerklichen Handelns abgelesen werden Auf diese Weise können die Jugendlichen mit tels der Reaktion des Materials etwas über primäre Materialeigenschaften wie Festigkeit Brüchigkeit etc lernen Materialien als Stifter und Medien von Sozialbeziehungen Die in der Bildhauerwerkstatt vor findlichen Arbeitspraktiken zeichnen sich sowohl dadurch aus dass die Fachkräfte den Jugendlichen das bild hauerische Arbeiten an den Materiali en durch anschauliche Methoden ver mitteln als auch dadurch dass die Jugendlichen möglichst alleine an ih ren Materialien arbeiten Die nachah menden Arbeitspraktiken Mimesis mit den Materialien dienen nicht nur dem bildhauerischen Lernen sondern stiften und modifizieren auch die Sozi albeziehungen zwischen Fachkräften und Jugendlichen Mittels der beim gemeinsamen Bearbeiten der Materia lien stattfindenden Beobachtungen der Arbeitsweisen der Jugendlichen und den daraus resultierenden Ge sprächen können die Fachkräfte Zu gänge zu den Jugendlichen entwi ckeln So weist eine Fachkraft darauf hin Es ist leichter mit Menschen zu arbeiten wenn man ein Medium da zwischen setzt Also gerade bei diesen Jugendlichen die oft Schwierigkeiten haben sich verbal auszudrücken Treten im praktischen Arbeiten Schwierigkeiten auf kommt es häufi ger dazu dass sich initiiert durch die Fachkräfte an einzelnen Tischen Gruppensituationen entwickeln in de nen sich die Jugendlichen gegenseitig durch Nachahmung helfen und mitei nander ins Gespräch kommen Materialien als Auslöser haptisch sensueller Körper und Selbsterfah rungen Bei der Bildhauerei handelt es sich um praktische sensuelle und körperli che Arbeit d h um eine Arbeit die man beim Vollzug körperlich stark spürt haptisch wahrnimmt und die seitens der Jugendlichen einen vollen Körpereinsatz sowie Ausdauer und Durchhaltevermögen erfordert Die haptische Körperlichkeit des Bildhau ens zeigt sich auch daran dass die kör perlich anstrengenden Tätigkeiten mit körperlich sichtbaren Folgen wie zum Beispiel Schwielen an den Händen ein hergehen Da das Material ausnahms los auf sie reagiert drücken sich die Jugendlichen ob sie nun wollen oder nicht im Material aus und erleben ei nen im Material sichtbaren quasi in tentionalen Selbstausdruck Beispiels weise befühlen die Jugendlichen ihr Gesicht und ihre Nase um die Nase des Steingesichts welche sie gerade erstellen besser gestalten zu können Dadurch wird der Körper zum leibli chen Erfahrungs und Lernraum und die eigene sensuell haptische Körper und Selbsterfahrung wird von den Ju gendlichen analog auf das aktuell zu bearbeitende Objekt übertragen Materialien als ästhetische Wandler Die Jugendlichen sammeln in und durch die Arbeit mit den harten Materi alien vorreflexive ästhetische Erfah rungen Solche Erfahrungen basieren darauf dass sich die Materialien wäh rend des Arbeitens verändern Beim Bearbeiten von Holz und Stein zu Skulpturen können die Jugendlichen die stoffliche Qualität des Materials praktisch sinnlich erkennen Solche ba salen materialästhetischen Erfahrun gen zeichnen sich zunächst weniger durch die figürlich gegenständliche Formfindung der Ausgangsmate ria lien sondern beispielsweise wenn aus einem schmutzigen Stein oder Holzstamm nach und nach eine feine Figur gearbeitet wird durch die Grunderfahrung des stofflichen Wan dels bzw der spezifischen Prozesshaf tigkeit wandelbarer Materialien aus Der Bildhauer bemerkt dazu Die Ju gendlichen machen also eine Material erfahrung gar nicht jetzt so sehr etwas Figürliches oder Gegenständliches viel leicht nur ein Stück Material ein polier ter Stein ein poliertes Holz ja und der Weg dahin Von dem unansehnlichen Brocken zu dem polierten Stück Materialästhetische Prozesserfah rungen dieser Art können nicht nur das dreidimensionale Denken und Vor stellen anregen sondern den Jugend lichen auch eine zufallsoffenere spie lerische und abstraktere Denkweise eröffnen durch die die in Krisensitua tionen wie dem Abbrechen von Nasen zutage tretende Realitätsverhaftung der Jugendlichen durchbrochen und der künstlerische Handlungsspielraum der Jugendlichen mittels abstrakter Variationen erweitert werden kann Die Jugendlichen erfahren dass in der Kunst subjektive Freiheiten und Re gelbrüche erlaubt sind die im konfor men Sozialverhalten welches in der Bildhauerwerkstatt von ihnen erwar tet wird unzulässig sind Jugendliche Subjektive Vorstellungen und Autonomie am Objekt erleben Im Rahmen der Auswertung der mit den Jugendlichen durchgeführten In terviews wurden drei Kategorien als Kernkategorien interpretiert Autonom und in Ruhe am Objekt ar beiten Vorstellungen und deren prozessua le Entstehung sowie Wandel Wiedergutmachung und das Dalas sen der Exponate Autonom und in Ruhe am Objekt arbeiten Für die Jugendlichen ist es wichtig alleine und in Ruhe an ihrem Objekt ar beiten zu können ohne zu häufig von den Fachkräften unterbrochen zu werden Viele Jugendliche haben die Arbeit an den Materialien als eine sehr selbsttätige und stressabbauende Er fahrung erlebt die Eigeninitiative ver langt und fördert So hebt ein junger Mann hervor Es steht nicht die ganze Zeit jemand neben dran und kontrol liert alles was man macht sondern man muss halt versuchen die Aufgabe die man bekommen hat selbst umzu setzen und auch Eigeninitiative ist ge fragt und man kann es halt selbst schaffen selbst umsetzen Zudem deuten einige Jugendliche die selbsttätige Arbeit an den Skulptu ren so dass die Fachkräfte dadurch das Vertrauen zum Ausdruck bringen welches sie in die Jugendlichen set zen Vorstellungen und deren prozessuale Entstehung sowie Wandel Für ihr Erleben der Bildhauerei spie len für viele Jugendliche die prozessu ale Entstehung sowie der Wandel ihrer Vorstellungen des im Arbeitsprozess anvisierten möglichen künstlerischen Endergebnisses eine ganz zentrale Rolle Eine junge Frau betont Du be kommst ja irgend so ein Ding auf den Tisch gestellt das eigentlich gar keine Form hat nichts ein Holzklotz ein Stein und daraus sollst du dann eine Fi gur bauen Die Vorstellung entwickelt sich aber erst mit der Zeit

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