18 forum kriminalprävention 4 2016 EVALUATION Forschungsinteresse und theoretischer Zugang Das Konzept studentische Projekte und Angebote in Justizvollzugsanstal ten JVA im Rahmen der akademi schen Ausbildung durchzuführen und zu begleiten wird an verschiedenen Hochschulen in Deutschland bereits praktiziert vgl u a Borchert 2015 Grebsch 2015 Eichbauer 2011 Hoff mann 2011 Walkenhorst 2007 S 27 Der Kerngedanke dahinter ist dass Studierende der Sozialen Arbeit der Kriminologie oder Rechtswissenschaft einerseits Einblicke in die Praxis einer JVA erhalten und dort erste berufliche Erfahrungen sammeln und anderer seits die Haftanstalten durch eine Er weiterung des Angebotes in der Ge staltung des Vollzugs unterstützt werden sowie den Inhaftierten ein ab wechslungsreicheres Bildungs und Freizeitprogramm Kontakte mit Per sonen von außen oder auch zusätzli che Hilfe wie bspw eine Rechtsbera tung geboten werden An der Ostfalia Hochschule für an gewandte Wissenschaften konnten im Sommersemester 2014 erstmals Stu dierende des BA Soziale Arbeit am Campus Suderburg im Rahmen eines Praxisseminars non formale Bildungs angebote für Jugendliche und Heran wachsende in der Untersuchungshaft der JVA Wegstadt 1 planen und durch Wenn das jetzt Schule wär Eine qualitativ rekonstruktive Evaluationsstudie non formaler Bildungsangebote für Jugendliche und Heranwachsende in Untersuchungshaft Stefanie Kessler Anja Mensching An der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften konnten im Sommersemester 2014 erstmals Studierende des BA Soziale Arbeit am Campus Suderburg im Rahmen eines Praxisseminars non formale Bildungsangebote für Jugendliche und Heranwachsende in der Untersuchungshaft einer JVA eigenständig planen und durchführen Die Umsetzung der Projekte wurde dabei begleitend in einem qualitativ rekonstruktiven Forschungsprojekt evaluiert Ziel dieser Begleitung war es die Erfahrungen und das Erleben der teilnehmenden Jugendlichen und Heranwachsenden zu untersuchen Im vorliegenden Beitrag werden Ergebnisse dieser Evaluation vorgestellt und hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Umsetzung von Bildungsangeboten in der Jugenduntersuchungshaft diskutiert führen Die Umsetzung der Projekte wurde dabei begleitend in einem qua litativ rekonstruktiven Forschungs projekt evaluiert vgl Mensching et al 2015 Ziel war es im Gegensatz zu bis herigen Berichten vgl Borchert 2015 Kudlacek Drossel 2012 den Fokus nicht auf die evaluative Begleitung des studentischen Lernens zu setzen son dern die Erfahrungen und das Erleben der Freizeit und Bildungsangebote wie auch der Haftsituation im Allge meinen seitens der teilnehmenden Ju gendlichen und Heranwachsenden2 zu untersuchen Die betreffenden sich in Untersu chungshaft befindenden Jugendli chen zählen dabei zu einer besonders marginalisierten und aus Bildungsper spektive mehrfach exkludierten Grup pe die zumeist sowohl zahlreiche Er fahrungen des Scheiterns in formalen Bildungsorganisationen erlebt hat vgl Reinheckel 2013 Wirth 2006 S 17 Hosser Greve 2003 Enzmann Greve 2001 S 119 als auch im Bereich non formaler bzw informeller Bildung nur auf wenig erfolgreiche Situationen in ihrer Biografie zurückgreifen kann 3 Non formale Bildungsangebote bie ten den Vorteil dass sie die äußerst schwer zu erreichende Zielgruppe Jugendlicher in Untersuchungshaft meist leichter aktivieren können als die ohnehin aufgrund oft langjähriger negativer Erfahrungen und daraus folgender Verweigerungshaltungen stark negativ besetzten formalen Bil dungsmaßnahmen 4 Die Angebote die im außerschulischen Bereich zu veror ten sind bieten daher die Möglichkeit die genannte Zielgruppe sozusagen en passant zu erreichen und über diesen Weg auf die Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten zu zielen Informelle Bildungsprozesse fokussieren schließlich Aspekte der all tagsweltlichen Bildung über Erfahrun gen im sozialen Nahraum im Projekt kontext z B in Gesprächen während der studentischen Projekte aber auch den Erwerb von Fertigkeiten u a beim Kochen Handwerken Zeichnen etc Mit der qualitativ rekonstruktiven Evaluation der Erfahrungen der Ju gendlichen im Rahmen der studenti schen Projekte wird zudem ein Bei trag zum Forschungsstand zu Bildungsangeboten in der Jugendun tersuchungshaft geleistet da es noch an empirischer Forschung dazu man gelt Bisher gibt es für die Jugendun tersuchungshaft lediglich Bestands aufnahmen zum Vollzugsalltag vgl Villmow Savinsky 2012 Villmow et al 2011 und Vergleichsstudien zum All tag in alternativen Unterbringungen vgl Kowalzyck 2008 Hotter 2004 Vill mow und Robertz 2004 Bildung im 1 Da es sich um eine qualitative Evaluationsstudie handelt wurde der Name und Ort der JVA zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der interviewten Jugendlichen und Mitarbeitenden anonymisiert 2 Im Sinne der besseren Lesbarkeit wird im weiteren Textverlauf nur noch von Jugendlichen gesprochen gemeint sind jedoch immer sowohl Jugendliche als auch Heranwachsende da beide Zielgruppen in der Jugenduntersuchungshaft in der JVA Wegstadt zusammen untergebracht sind und somit auch gemeinsam an den studentischen Projekten teilgenom men haben 3 In der Regel besteht eine doppelte Benachteiligung von sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen da diese auch zu außerschulischen non formalen Bildungsange boten einen deutlich schlechteren Zugang haben vgl Solga Dombrowski 2009 S 35 Grunert 2006 S 29 Es ist demnach davon auszugehen dass Jugendliche in Untersuchungshaft auch über weniger non formale und informelle Bildungserfahrungen verfügen bzw diese nicht positiv besetzt sind 4 Richter u a 2011 S 54 stellen in ihrer Evaluation des Projektes Bildung im Strafvollzug in der Schweiz fest dass die Erinnerungen Inhaftierter an Schule meist aufgrund von schlechten Noten und den damit erschwerten Startbedingungen in das Arbeitsleben sowie Exklusionserfahrungen im Klassenverbund negativ geprägt sind

Vorschau DFK forum kp 04-2016 Seite 20
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