6 forum kriminalprävention 4 2016 OFFENER VOLLZUG Vollzug Bayern Schleswig Holstein und Thüringen Der deutschland weit beobachtbare Rückgang der Gefangenenpopulation kann dem nach nicht für die geringe Auslas tung des offenen Vollzuges verant wortlich gemacht werden da der geschlossene Vollzug z T ver gleichsweise gut ausgelastet ist Auch im Zeitverlauf wird deutlich dass der offene Vollzug als Übergangs form in Freiheit als Baustein zur Erpro bung neu erlernter Verhaltensweisen und damit als Instrument im Rahmen der indizierten Prävention in den vergangenen Jahrzehnten tendenziell an Bedeutung verloren hat Dünkel Pruin 2015 S 34 Waren 1996 bundes weit noch 20 8 Prozent aller Gefange nen im offenen Vollzug untergebracht trifft dies im Jahr 2014 auf gerade ein mal 17 7 Prozent der Gefangenen zu Wie könnte eine stärkere Auslastung des offenen Vollzuges erreicht werden Unabhängig von dem sehr unter schiedlichen Stellenwert des offenen Vollzuges in den Bundesländern wer den in keinem einzigen Bundesland die Platzkapazitäten vollständig ausge schöpft Eine zunächst naheliegende und im Strafvollzug immer wieder zu hörende Vermutung ist dass es einen Mangel an geeigneten Gefangenen gibt Gegen diese Vermutung spricht jedoch dass in einigen Bundesländern mehr als jeder vierte Gefangene für den offenen Vollzug geeignet er scheint in anderen wiederum nicht einmal fünf Prozent der Gefangenen hierfür infrage kommen Es ist nicht davon auszugehen dass sich die Klien tel der Gefangenen und damit die für eine Unterbringung im offenen Vollzug relevanten Merkmale so erheblich zwi schen den Bundesländern unterschei den Gegen die These eines Mangels an für den offenen Vollzug geeigneten Gefangenen spricht zudem der Be fund dass von allen vorzeitig im Zuge der Strafrestaussetzung entlassenen Gefangenen in einem Kalendermonat bundesweit 54 Prozent im geschlosse nen Vollzug untergebracht waren Sta tistisches Bundesamt 2016 eigene Be rechnungen 2 Das bedeutet dass das Gericht die Sozialprognose dieser Ge fangenen vor dem Hintergrund einer Stellungnahme des Vollzuges so güns tig bewertet dass man diese Gefange nen vorzeitig entlassen kann sie aber bis dahin zumindest aus Vollzugspers pektive den Anforderungen des offe nen Vollzuges offenbar nicht genügt haben Zwar mag es im Einzelfall Grün de geben weshalb selbst geeignete Gefangene nicht vom geschlossenen in den offenen Vollzug verlegt werden So kann etwa die Beendigung be stimmter im offenen Vollzug nicht an gebotener Maßnahmen gegen eine Verlegung sprechen oder der Gefange ne selbst wünscht keine Verlegung weil der offene Vollzug von seinem Wohnort und damit ggf seiner Familie und seinem sonstigen sozialen Umfeld weiter entfernt ist als der geschlosse ne Vollzug Vermutlich treffen diese Gründe aber nicht auf alle Gefangenen zu die vorzeitig aus dem geschlosse nen Vollzug entlassen werden Mögli cherweise gibt es also im geschlosse nen Vollzug potenzielle Kandidaten für den offenen Vollzug die dennoch nicht dorthin verlegt werden Vor diesem Hintergrund wäre es möglicherweise sinnvoll das Angebot von Maßnahmen im offenen Vollzug auszubauen sodass die Beendigung bzw Durchführung von bestimmten Programmen seltener einen Hinde rungsgrund für die Verlegung in den offenen Vollzug darstellt Auch wäre zu überlegen ähnlich zu Vorbereitungs maßnahmen im Bereich der Suchtmit teltherapien im geschlossenen Vollzug Maßnahmen zu etablieren die auf den offenen Vollzug und den Umgang mit dadurch gewonnenen Freiheiten vorbereiten sodass ein größerer Per sonenkreis für eine Verlegung in den offenen Vollzug infrage kommt Auch die Verzahnung und Kenntnis beste hender Maßnahmen in den Einrichtun gen des geschlossenen und offenen Vollzuges könnte einen weiteren Bau stein darstellen der zu einer stärkeren Auslastung des offenen Vollzuges bei tragen könnte So zeigte sich im Rah men des niedersächsischen Projektes Fit für die Zukunft Über den offenen Vollzug mit durchgängiger Betreuung sicher in die Freiheit dass die Überlei tung vom geschlossenen in den offe nen Vollzug dort eher funktionierte wo man über die Angebote und Mög lichkeiten des offenen Vollzuges gut informiert war Welling 2009 S 42 f Die Verlegung eines Gefangenen vom geschlossenen in den offenen Vollzug ist zudem aktuell beispielswei se in Niedersachsen mit recht hohen Hürden verbunden insofern die Ent scheidung für eine Unterbringung im offenen Vollzug ausführlich zu begrün den ist Möglicherweise würde die Zahl an für den offenen Vollzug infrage kommenden Gefangenen zunehmen wenn nicht die Genehmigung sondern die Verweigerung einer Unterbringung im offenen Vollzug derart begrün dungsbedürftig wäre und wenn wie in Sachsen aber auch einigen anderen Bundesländern die Progression sechs Monate vor Entlassung gesetz lich normiert wäre und diese nur unter erhöhten Anforderungen verweigert werden darf z B 42 Abs 4 SächsSt VollzG Für die Entscheidung einer Unter bringung im offenen Vollzug sind aus Vollzugsperspektive sicherlich auch gesellschaftliche mediale und politi sche Reaktionen relevant insbesonde re dann wenn es zu Missbräuchen die ser Privilegien kommt Steht zu befürchten dass die Bedeutung des offenen Vollzuges vor allem von den Medien sofort infrage gestellt wird und oder die Suche nach einem poli tisch Verantwortlichen im Raum steht werden Entscheidungen für diese Voll 2 Die Gesamtzahl der im Monat März 2016 im Zuge der Strafrestaussetzung aus der Haft Entlassenen betrug 929 Personen Abbildung 3 Auslastungsquoten für den offenen und geschlossenen Vollzug zum Stichtag 31 März 2016 nach Bun desländern in Prozent

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