forum kriminalprävention 3/2002 Mai/Juni

Editorial

Die Inszenierung einer katastrophalen Ego-Show eines Schülers in Erfurt, aus dramatisch empfundener Demütigung, hat uns alle betroffen gemacht. Zugang zu Waffen, Umgang mit Waffen und Anleihen bei virtuellen Killerspielen ermöglichten einem jungen Menschen, der sich ohne Zukunft sah, an seinem selbst gesetzten Lebensende die Rolle eines Angst und Entsetzen verbreitenden Rächers auszuüben.

Nach Djerba erlitt unser Sicherheitsgefühl einen weiteren Schlag. Sind wir inzwischen auf dem Weg zu "amerikanischen Verhältnissen?", fragten sich bei uns sicherlich nicht wenige in diesen Tagen.

Krass wurde uns vor Augen geführt, dass wir in einer verletzlichen Welt leben. Weniger deutlich wird diese Verwundbarkeit im Alltag, wenn es um komplexe Technikbereiche geht, seien es Informationstechnik (das Leitthema dieses Heftes), Robotik, Genetik oder zukünftig wohl auch Nanotechnologie. Die im Jahr 2001 immens gestiegene registrierte Computerkriminalität ist Ausdruck für moderne, technikinduzierte kriminelle Risiken.

Bei Straftaten mit Katastrophencharakter wie in Erfurt droht die Gefahr, dass Politik - unter extremem öffentlichen Druck - der zwanghaften Vortäuschung von Kontrolle über das Unkontrollierbare unterliegt (Ulrich Beck). Vermittelt wird implizit die Berechenbarkeit und damit zukünftige Vermeidbarkeit von Verbrechen und Desaster, wenn nur die nach der Tat angekündigten kriminalpolitischen Maßnahmen rechtzeitig umgesetzt werden.

Dabei besteht die Gefahr, dass Politik vordergründig Schnellschüsse produziert, um Dominanz und die Beherrschung von Risiken zu signalisieren. Es hat den Anschein, dass dieses Mal inzwischen mehr Fragen gestellt als vorschnelle Antworten gegeben werden. Dies gilt primär für die eigentlichen Problemkerne bei Jugendgewalt, nämlich Wertevermittlung, Zuwendung, Bildung und Erziehung.

Zu hoffen ist, dass die demnächst entwickelten Ideen auch verwirklicht werden, bevor darüber das Gras der Geschichte wächst. Ein negatives Beispiel sind insoweit die vielfältigen präventionsträchtigen Vorschläge, welche die (Anti-)Gewaltkommission der Bundesregierung in den späten 80er Jahren vorgelegt hat.

Ihr
Prof. Dr. Edwin Kube,
Chefredakteur
Edwin Kube